Erhaltungssatzung Martin-Huber-Straße 6. Februar 2020 / Wohnen & Bauen

Sachliche Politik statt Hysterie und Angstmacherei

Das Bauamt soll eine Erhaltungssatzung für Teile der Martin-Huber-Straße und des Amperwegs erarbeiten. Das hat der Stadtrat im Oktober beschlossen. Nun hat er die Satzung mehrheitlich gekippt. Die Satzung sei ein zu großer Eingriff in die Rechte der Eigentümer. Das Wort „Enteignung“ machte die Runde. Dabei war der Inhalt der Satzung noch gar nicht ausgearbeitet. Ich finde: Wir hätten den Inhalt abwarten und erst dann entscheiden sollen.

Um was geht es denn überhaupt?

Wie sehr viele Themen in der Stadtpolitik ist auch die Ausarbeitung einer Erhaltungssatzung für die genannten Straßen kompliziert. Das mag manche dazu verleiten, komplexe Themen zu vereinfachen und mit simplen Parolen zu versehen. Das werde ich nicht tun. Ich will erklären. Wie so häufig gibt es auch in Bezug auf die Erhaltungssatzung kein Schwarz oder Weiß, kein hundertprozentig richtig oder falsch. Worum geht es also? In Teilen der Martin-Huber-Straße und des Amperwegs stehen noch einige Häuser aus den 1910er bis 1930er Jahren. Diese weitgehend in einem einheitlichen Stil erbauten Gebäude prägen das Erscheinungsbild der Straße. Und dies, wie ich finde, nicht zu ihrem Nachteil. Aber natürlich kann man hier auch anderer Meinung sein. In zwei Sitzungen im September und Oktober 2019 entschied sich eine Mehrheit des Bauausschusses und des Stadtrats für den Vorschlag, für den Bereich eine Erhaltungssatzung zu erarbeiten. Eine solche Satzung ermöglicht es der Stadt, die so genannte städtebauliche Eigenart des Bereichs zu erhalten, unter anderem mit einem Mitspracherecht bei Bauprojekten. Und wie gesagt: Beschlossen wurde erst einmal nur, dass so eine Satzung ausgearbeitet wird und dann dem Stadtrat zur Diskussion vorgelegt wird.

Der Anlass: Eine Abrissanzeige für eines der prägenden Häuser

Im vergangenen Herbst ging bei der Stadt eine Abrissanzeige für das Haus in der Ludwig-Thoma-Straße 13 ein. Dies war der Anlass, eine Erhaltungssatzung zu erarbeiten. Mit dem Beschluss im Herbst konnte ein Abriss rechtlich verhindert werden, bis eine Erhaltungssatzung beschlossen ist. Mit dieser hätten wir dann Einfluss auf das Bauvorhaben ausüben können. Nach der Entscheidung, die Arbeit an der Satzung zu beenden, ist nun auch die Abrisssperre unwirksam. Was erhalten bleibt oder wegkommt, was und in welcher Form neu gebaut wird, darauf hat die Stadt nun keinen Einfluss.

Warum denn so ein Wirbel? Ganz einfach: Weil Wahlkampf ist

Ich wage die Behauptung: Dass dieses Thema nun so einen Wirbel ausgelöst hat, liegt einzig und allein daran, dass gerade Wahlkampf ist. Wäre kein Wahlkampf, hätte das Stadtbauamt in Ruhe die Satzung ausarbeiten und in etwa einem Jahr dem Bauausschuss und dem Stadtrat vorlegen können. Keine Partei wäre auf die Idee gekommen, eine Einstellung der Arbeit an der Satzung zu fordern. Vielleicht hätte hin und wieder eine nachfragt, wie denn der Stand der Dinge sei und wann man mit einer Behandlung im Stadtrat rechnen könne. Dann hätte man sich ruhig und sachlich mit den Inhalten beschäftigt, sie diskutiert, hier etwas gestrichen oder dort eine Kleinigkeit hinzugefügt und schließlich über die Satzung abgestimmt – sie also entweder beschlossen oder abgelehnt. Das wäre die normale Vorgehensweise, aber weil Wahlkampf ist, ist alles anders.

Nichts mobilisiert mehr als die Angst

Statt ruhig die Inhalte der Satzung abzuwarten und dann über Fakten zu entscheiden, wurde das Thema für den Wahlkampf entdeckt. Gegenüber den Eigentümern sprach jemand von „Enteignung“ – was völliger Quatsch ist. Es wurde den Eigentümern eingeredet, sie dürften nichts mehr an ihren Häusern verändern, dürften nicht mal mehr neue Fenster einbauen und schon gar nicht in zweiter Reihe neu bauen. Nichts davon stimmt, da wie gesagt noch keine Inhalte vorhanden waren. Ich verstehe die Eigentümer natürlich, dass man es bei solchen Behauptungen mit der Angst bekommt. Nichts mobilisiert mehr als Angst. Also wuchs unterstützt von einigen Parteien der öffentliche Widerstand gegen eine Satzung unbekannten Inhalts. Schließlich wurde eine erneute Behandlung beantragt und die Satzung gekippt.

Politiker sollten Entscheidungen aufgrund von Fakten treffen, nicht aufgrund von Stimmungen

Ein Vergleich: Das literarische Quartett: Marcel Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek – Gott hab sie beide selig – und einige Gäste diskutieren über ein Buch. „Es ist ein schlääächtes Buch von geradezu grotesker Nichtsnutzigkeit“, redet sich Reich-Ranicki in Rage. „Vor allem die Stelle mit dem Pferd und dem Metzger.“ Karasek schaut irritiert. Vorsichtig sagt er: „Werter Kollege, es gibt in dem Buch kein Pferd und keinen Metzger.“ Reich-Ranicki wedelt heftig mit dem Finger. „Na und? Ich habe es nicht gelesen. Es ist trotzdem grauenhaft.“ So eine Szene ist natürlich völlig unvorstellbar. Wer etwas beurteilen will, der muss den Inhalt kennen – in der Literatur ebenso wie in der Politik. Wir sollten wieder Entscheidungen auf der Basis von Fakten treffen und nicht aufgrund von Stimmungen.

Auf den Punkt gebracht

Die Ausarbeitung einer Erhaltungssatzung für Teile der Martin-Huber-Straße und des Amperwegs wurde im Oktober beschlossen und im Februar gekippt, ohne die inhaltliche Ausarbeitung abzuwarten. Gute Politik muss sich aber an Fakten orientieren und nicht an Stimmungen.

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